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SonntagsBlick
Ging auf Geisterjagt und wurde fündig. In diesem Hotel Spukts!
Text: 2010 | Romina Lenzlinger
Im Engandiner Kurhotel Val Sinestra soll ein Geist umgehen, behaupten Angestellte und Hotelgäste.
SonntagsBlick machte den Test – und traf gleich zwei.
Dass Geister und Gespenster erst nach Mitternacht erscheinen, sei ein Märchen, sagt Andreas Meile (43). Es müsse nur ruhig genug sein, damit man sie auch höre. Still ist es an diesem frühen Dienstagnachmittag im Hotel Val Sinestra im Unterengadin. Unheimlich still sogar. Und gruslig kalt.
"Das Medium" lehnt an einer Wand auf der ehemaligen Bäderetage und starrt ins Leere. «Ich kann ihn deutlich erkennen», sagt Meile plötzlich. «Ein hagerer Typ, gut gekleidet, zirka 1,70 Meter.» Er sei Belgier, aus einer Gegend unweit der holländischen Grenze. Seinen Namen wolle er nicht verraten.
Hoteldirektorin Wanda Hopman (47) starrt auf die weisse Wand. Weder sie noch die Reporterin nehmen eine Regung wahr, erst recht keinen gut aussehenden Mann. Meile erzählt nun, er habe den Geist schon gesehen, als er im Hotel-Shuttle vorfuhr. Da sei der Belgier am Fenster gestanden und habe von Problemen mit der Heizung im Kurhaus gesprochen. Tatsächlich habe es mehrere Tage lang kein warmes Wasser im Haus gegeben, bestätigt Hotelière Hopman.
Also spukt es hier tatsächlich? «Der Geist wohnt seit vielen Jahren da und lässt sich auch nicht vertreiben», sagt Meile. Denn er wolle sich um das Wohl der Angestellten kümmern, die hier einst von einem Hotelbesitzer schlecht behandelt worden seien. Mit der heutigen Führung jedoch sei der Geist sehr zufrieden.
Die Direktorin ist erleichtert: «Da bin ich aber froh – ich will ihn nämlich nicht vertreiben.» Zu sehr habe sie sich schon an den Unbekannten gewöhnt. Ihre Angestellten und Gäste wüssten ebenfalls mit dem Spuk umzugehen: Sie berichteten von klirrenden Gläsern, lautem Geschepper und rasselnden Schlüsseln. «Unsere Gäste wissen, dass sich hier plötzlich ein Fenster öffnen kann», sagt Hopman. Gesehen hat den ungewöhnlichen Mitbewohner bislang aber niemand. Besucher berichten lediglich von einem unangenehmen Gefühl, das sie in gewissen Räumen beschleiche. «Es ist, als würde jemand hinter dir stehen», erklärt Hopman, die das Kurhaus seit 1978 mit ihrem holländischen Geschäftspartner führt. 90 Prozent der Gäste seien Holländer, da passe ein belgischer Geist perfekt dazu, scherzt sie.
Plötzlich reckt Meile den Zeigefinger und bittet um Ruhe: «Achtung, Giancarlos Grossvater mischt sich in die Unterhaltung ein. Ein kleiner, gut aussehender Mann.» Dem verdutzten SonntagsBlick-Fotografen Giancarlo Cattaneo fällt die Kamera fast aus der Hand. Er starrt an die Wand, sieht aber nichts. «Der Grossvater lässt ausrichten, dass der Familienzwist für ihn abgeschlossen sei. Es komme alles gut», so Meile zum Fotografen.Er solle die hässliche Fehde nun endlich vergessen. Der 60- jährige Engadiner steht regungslos da: «Unglaublich! Wir hatten bis vor kurzem tatsächlich einen grossen Familienstreit und die Sache belastet mich bis heute.» Für die SonntagsBlick-Reporterin gibt es leider keine Geisterbotschaft. «Manchmal wollen die einfach nicht, vermutlich haben sie heute eine andere Aufgabe», meint Meile und starrt wieder auf die weisse Wand.
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Bieler Tagblatt
Ich bin nicht der Weihrauchtyp
Nidau: Andreas Meile arbeitet seit über 25 Jahren als Medium.Er überbringt den Klienten Botschaften von Verstorbenen. Seine Tätigkeit bezeichnet er als Handwerk, den Weltuntergang als esoterischen Gugus.
Interview: Simone Tanner | 2012
Wann haben Sie zum ersten Mal einen Toten gesehen?
Das war im Alter von 18. Mein Grossvater stand an seiner Beerdigung neben dem Grab, hat mir zugewinkt und ist gegangen.
Wie war das?
Speziell. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.
Ihre besondere Gabe setzen Sie seit über 15 Jahren in Ihrer Praxis als Medium ein.
Ich habe keine spezielle Gabe, ich bin ein ganz normaler, bodenständiger Mensch. Ich bin nun mal nicht der Weihrauchtyp. Und mit meinem Übergewicht könnte ich ja gar nicht schweben (lacht). Ich habe Sozialpädagogik studiert, bin zertifiziert in Notfallpsychologie und arbeite heute auch mit Psychologen zusammen. Dieses ewige Gegeneinander finde ich schlimm. Für mich ist es ein Miteinander und das ist ja auch das Schlusswort des Films „Fenster zum Jenseits“. Und mediale Arbeit heisst für mich schlicht, Botschaften von Verstorbenen durchgeben. Das ist mein Handwerk.
Handwerk? Dann kann jeder ein Medium werden?
Ja. Man kann es mit dem Autofahren vergleichen. Jeder kann das lernen, aber wir werden nie alle gleich gut rückwärts parkieren. Die Grundvoraussetzungen für Medialität hat jeder Mensch. Natürlich kann man es nicht in einem Wochenend-Kürsli lernen. Man muss es trainieren. Früher oder heute noch in den Naturvölkern haben die Menschen einen ganz normalen Bezug zur geistigen Welt. Dort gehört es zur Kultur. Bei uns wurde es aus der Kultur weggeschrieben. In unserem Weltbild werden wir geboren und sterben. Tot, fertig, Schluss. Meine Erfahrung ist aber eine andere. Verstorbene merken, dass sie gar nicht so tot sind. Und sie wollen dies ihren Angehörigen mitteilen, dass sie angekommen sind, dass es ihnen gut geht. Meine Rolle dabei ist die des Übersetzers.
Welche Leute kommen zu Ihnen?
Von Leuten, die einen geliebten Menschen verloren haben bis hin zu solchen, die aus Neugier kommen. Die Motivationen sind unterschiedlich.
Wie läuft eine solche Sitzung ab?
Die Gespräche mit meinen Klienten sind Gespräche wie jenes, das ich jetzt mit Ihnen führe. Mit dem Unterschied, dass da eben noch der verstorbene Onkel Fritz dabei ist. Durch die Einfachheit meiner Arbeit, die Klarheit meiner Sätze, die Überprüfbarkeit dessen, was ich sage, gibt es eine Sicherheit im Vis-à-vis. Die Trauer bei den Hinterbliebenen ist nicht abgeschlossen. Die Klienten sind immer noch traurig, aber viel ruhiger. Es funktioniert aber nicht so wie im Fernsehen, dass Leute zu mir kommen und ich präsentiere ihnen die Lösung. Das ist Blödsinn. Die geistige Welt löst für uns kein einziges Problem. Aber sie gibt Ideen. Es ist wie eine Drittmeinung, die man einholt. Aber umsetzen muss die Botschaft im eigenen Alltag jeder für sich.
Sie sprechen von Überprüfbarkeit. Beweisen kann man es aber eben nicht, dass Sie die Verstorbenen wirklich sehen?
Doch. Ich kenne von meinen Klienten nur den Namen und die Telefonnummer. Die Verstorbenen zeigen sich mir in einer Sitzung so, wie sie zu Lebzeiten ausgesehen haben, damit ich sie dem Klienten beschreiben kann. Oder sie schildern mir zum Beispiel ihre eigene Beerdigung, bis hin zur Musik, die gespielt worden ist und weitere Lebensdetails.
Und die Verstorbenen stehen dann in der Praxis oder sitzen auf dem Sofa?
Ja, es ist wie mit uns beiden jetzt. Wir diskutieren einfach zusammen.
Und wenn die Verstorbenen zum Beispiel Russisch sprechen?
(lacht laut) Die Sprache ist ein Hindernis, die man nur im Diesseits kennt. Aber die Sprache ist ein eindeutiges Merkmal. Die Verstorbenen kommunizieren dann meistens mit einem Akzent.
Nimmt manchmal auch der Klient den Geist wahr?
Ja, das kommt vor. Es ist eine Energie, die man spürt, eine Wärme oder es riecht nach dem Parfum der verstorbenen Person. Zum Beispiel nach der Weihnachtsguetzli-Büchse der Grossmutter.
Gibt es auch Botschaften von Verstorbenen, die Sie zensurieren müssen?
Das darf ich nicht. Ich bin kein Richter. Ich kann eine gewisse diplomatische Note durch meine Wortwahl formulieren. Aber verschweigen darf ich nichts. Dann würde ich mich ja über alles stellen und damit wäre die geistige Welt nicht einverstanden.
Glauben Sie denn an Gott?
Ja. Ich bin reformiert, aber wohl der schlechteste Kirchengänger, den es gibt. Der Glaube ist mit meiner Arbeit auch nicht immer ganz kompatibel. Aber ich glaube an Gott – oder an eine höhere Macht.
Könnten Sie denn auch mit Jesus in Kontakt treten?
Nein, ich bin zufrieden mit den verschiedenen und überprüfbaren Kontakten aus der geistigen Welt. (lacht) Es gibt genug andere, die behaupten, das zu können. Wenn wir davon ausgehen, dass er vor 2000 Jahren gestorben ist, dann käme er ja gar nicht mehr zurecht in dieser Welt.
Dann können Sie nur mit Toten in Kontakt treten, die noch einen Bezug zur jetzigen Welt haben? Sagen wir solche, die weniger als 70 Jahre tot sind?
Nein, das kann man nicht so sagen. Aber Sie haben nach Jesus gefragt. Und es macht keinen Sinn, dass er sich meldet. Was will er uns noch einmal erzählen?
Ob es ihn wirklich gegeben hat.
Das wird das ewige Mysterium bleiben.
Aber am ehesten könnte doch das jemand wie Sie herausfinden?
Dann wäre ich aber froh, wenn NICHT ich dieser Jemand wäre. Stellen Sie sich einmal die Schlagzeile vor: "Meile spricht mit Jesus."
Sie müssten es ja nicht dem "Blick" sagen, nur mir. (Meile lacht schallend) Für mich tönt das ein wenig nach Ausrede. Wenn Sie mit der geistigen Welt kommunizieren können, warum dann nicht auch mit Jesus?
Weil er sich noch nie gemeldet hat. So einfach ist das. (Pause) Und wie wollen Sie zudem überprüfen, ob ich wirklich mit Jesus gesprochen habe? Zudem brauche ich als Medium einen Auftrag und das OK des Gegenübers. Andernfalls meldet sich auch niemand. Die geistige Welt ist nicht die 1818.
Sehen Sie denn jetzt einen Geist, einen verstorbenen Angehörigen von mir?
Nein. Ich sitze Ihnen im Moment auch nicht als Medium gegenüber. Das ist nicht meine Rolle in diesem Gespräch. Und Sie sind auch nicht als Klientin hier, sondern als Journalistin.
Sie können sich als Medium also ein- und ausschalten?
Ja, das ist mein Beruf. Wenn ich aus der Praxis gehe, habe ich Feierabend. Es gibt schon Situationen, in denen der Beruf durchdrückt. In diesen Fällen nehme ich das auf und verfolge es am nächsten Tag bei der Arbeit weiter. Genau so, wie Sie es als Journalistin sicher auch tun.
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Den Tod gibt es in dem Sinn nicht. Vor dem Prozess des Sterbens habe ich Respekt, weil ich auch nicht weiss, was mich erwartet. Aber vor dem Tod habe ich keine Angst.
Hat Ihnen noch nie ein Verstorbener berichtet, wie das Sterben ist?
So konkret nicht. Aber man muss das Leben auch in der geistigen Welt reflektieren. Jemand, der Suizid begangen hat, muss auch hinsehen, dass er Leid verursacht. Diese Menschen sind oft bestrebt, sich bei den Angehörigen zu entschuldigen, Frieden zu finden.
Im Jenseits gibt es also auch Sorgen?
Das Jenseits ist nicht einfach Friede, Freude, Eierkuchen. Man muss bestimmte Aufgaben übernehmen, kann nicht einfach auf der Wolke 13 sitzen, Harfe spielen und Nature-Joghurt essen. (lacht) Man hat Aufgaben, die man übernimmt.
Welche denn?
Es ist nicht Arbeit, wie wir sie hier verrichten. Doch im Jenseits muss man zum Beispiel Neuankömmlinge begleiten. Sie brauchen Hilfe und Unterstützung.
Wir schreiben heute Donnerstag den 20. Dezember 2012. Sie müssten es ja wissen. Geht morgen die Welt unter?
Nein. Das können Sie ganz gross schreiben. NEIN!
Warum nicht?
Ich kann Ihnen meine unspektakuläre Erklärung dafür geben. (Er holt zwei Kalender.) Hier haben Sie den Dezember 2012. Und da ist der Januar 2013. Wenn ein Kalender fertig ist, beginnt man wieder von vorne. Mir schreiben aber viele Menschen und fragen: „Geht die Welt unter, Herr Meile?“ Es ist erschreckend, welche Angst man mit solchen Prophezeiungen auslöst. Jetzt sprechen die selbst ernannten Propheten neuerdings nur noch von einer kosmischen Veränderung, weil der Weltuntergang gar nicht so lukrativ ist. Denn wenn die Welt untergeht, kann man ja nichts mehr verkaufen. Das ist eine reine Angst- und Geldmacherei. Das ist esoterischer Gugus.
Sie sind also kein Esoteriker?
Manche würden mich wohl als Esoteriker bezeichnen, ich nicht. Meine Arbeit als Medium ist konkret in den Aussagen, nicht Wattebäuschchen-Zeug. Das würde nicht zu mir passen.
Gibt es immer mehr Menschen, die als Medium arbeiten?
Nein, aber man spricht mehr darüber und scheut sich weniger seinen Freunden zu sagen, „ich war beim Meile“.
Aber es gibt auch Menschen, die mit ihrer, vielleicht vermeintlichen Medialität Humbug betreiben.
Deshalb ist es wichtig als Klient immer auch kritisch zu bleiben.
Was entgegnen Sie jemandem, der Sie als Scharlatan bezeichnet?
Ich muss niemanden überzeugen. Für mich ist es klar, dass es die geistige Welt gibt. (schmunzelt) Und irgendwann werden wir alle wissen, wer recht hat.
Link: www.bielertagblatt.ch
- Andreas Meile: 1967 in Biel geboren | wohnt in Täuffelen
- Ausbildungen: diplomierter Sozialpädagoge HFS in Brugg. Zertifiziert in systemischer Familientherapie und Notfallpsychologie (Care Team Kt. Bern)
- Tätigkeit: Er leitet seit über 15 Jahren Kurse, Zirkel und bietet mediale Beratungen im Psi Zentrum Seeland an
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Coopzeitung
Glauben Sie an Geister?
Vielleicht halten Sie Ihre Antwort lieber noch zurück, bis Sie diese Geschichte gelesen haben.Bild: Keystone, Ti-Press, Kostas Maros, ZVG)
Text: Andreas Eugster
Kann er es wirklich sehen – das Gespenst vom Spiesshof zu Basel?
"Hier ist nichts", sagt Andreas Meile. Er steht mitten im grossen Sitzungszimmer des Spiesshofs in der Altstadt von Basel – im 1724 fertiggestellten Barockflügel. Es ist der neuere Komplex des Gebäudes. Dahinter, leicht versetzt, steht der Renaissancebau, der eigentliche Haupttrakt aus dem 16. Jahrhundert. Nach diversen Besitzerwechseln in früher Neuzeit erwarb die SBB 1902 die Liegenschaft, in deren Eigentum sie bis 2008 blieb. Heute beheimatet der Spiesshof Anwaltskanzleien, eine Treuhandgesellschaft und angeblich – seit über 450 Jahren – einen Geist. Meile, ein studierter Sozialpädagoge, der seit über 20 Jahren als Medium arbeitet, schaut sich nochmals um. Plötzlich deutet er mit dem Zeigefinger aus dem Fenster Richtung Renaissancebau, der eine eigenwillige, eigentlich nicht in diese Gegend passende Fassade aufweist, die heute noch vollständig erhalten ist. «Aber dort, dort unten ist er.» Wer «er»? «Der Geist!» Grosse Augen, auch bei Jürg Eichenberger, dem aktuellen Besitzer der Liegenschaft. Entgeisterte oder vielmehr begeisterte Blicke bei Fotograf und Reporter, denn wirklich gesehen hat die Spukgestalt bis dato eigentlich niemand. Zumindest gibt es keine eindeutigen Beweise für deren Existenz.Erst geehrt, dann geschändet
Die Legende jedoch, die ist unheimlich. Im April 1544 gewährte der Basler Rat dem holländischen Glaubensflüchtling Johann von Brügge samt seinem Gefolge in der Stadt am Rheinknie Asyl. Über ein Jahrzehnt lang schätzten die Basler den freundlichen, stillen Herrn, der nebst dem Spiesshof auch das Binninger Schloss erworben hatte. Er galt als sehr vermögend und wohltätig. Nach seinem Tod am 26. August 1556 wurde Johann von Brügge bei einer grossen Abdankung in der Leonhardskirche begraben. Für den vermögenden Holländer hätten sich nach dessen Tod wohl nicht so viele Leute interessiert, wenn nicht drei Jahre danach, durch einen petzenden Diener, seine wahre Identität ans Licht gekommen wäre. Denn der Edelmann und Vorsteher der kleinen holländischen Basler Kolonie war in Wirklichkeit nicht Johann von Brügge, sondern David Joris: das Haupt einer verbotenen Wiedertäufer-Sekte, das in Holland verfolgt wurde und in die Rheinstadt flüchtete.Das streng reformierte Basel fiel aus allen Wolken, vor allem, als bekannt wurde, dass dieser Ketzer von hier aus still und heimlich seine verschworene Gemeinde eifrig weiter betreut und dazu zahlreiche verleumderische Schriften verfasst hatte. Was folgte, war der grösste Sensationsprozess der Basler Geschichte. Nach der Urteilsverkündung wurde der einbalsamierte Tote aus seinem Grab gehoben, geköpft und mitsamt seinen Büchern, Schriften und seinem Bildnis vor johlender Meute auf dem Richtplatz vor dem Steinentor verbrannt. Seither soll der Holländer in Begleitung von zwei schwarzen Doggen und mit seinem Kopf unter dem Arm durch den Spiesshof wandeln.Skurriler Dialog mit dem Geist
Die Suche nach ebendiesem kopflosen David Joris führt nun also hinüber zum Renaissancebau. Denn dort soll dieser während seiner Zeit in Basel vornehmlich gelebt haben. Vor dem steinernen Treppenabgang in den Keller bleibt Andreas Meile stehen, schnellt zurück, als hätte ihm eine unsichtbare Hand eine schallende Ohrfeige verpasst. «Puuhhh ...!», entfährt es ihm. «Entschuldigung, aber ich brauche eine Minute.» War das der Joris? «Nein, nein», entgegnet das Medium, «aber die Energie, die dieser Ort versprüht, ist enorm. Daran muss ich mich erst gewöhnen.» Nach dieser Schrecksekunde und bei anbrechender Dämmerung ist es keinem der vierköpfigen «Geisterjägergruppe» mehr so richtig geheuer – auch dem Fotografen ist das süffisante Lächeln kurzzeitig aus dem Gesicht entschwunden. Die modrige Luft, die einem aus dem Dunkeln entgegenströmt, macht den Kellerabstieg nicht unbedingt behaglicher.Unten angekommen, ist es Besitzer Jürg Eichenberger, der als Erster Mut fasst: «Und? Ist er hier?» «Er steht seitlich von Ihnen, übrigens mit dem Kopf auf den Schultern», sagt Meile. Ungläubige Blicke. «Direkt neben Ihrem verstorbenen Vater, der Ihnen ausrichten lässt, dass es ihm gut gehe.» Eichenberger zuckt zusammen, während Fotograf und Reporter in den Raum starren, aber keine abnormale Regung wahrnehmen.Vielleicht sollte hier noch erwähnt werden, dass Andreas Meile weder Vorkenntnisse zum Spiesshof noch zu seinem angeblichen Bewohner hatte. Umso mehr erstaunt es, dass das Medium plötzlich beginnt, auf Holländisch zu sprechen. Logisch! David Joris war/ist ja Holländer. Doch woher sollte dies Andreas Meile wissen? Was folgt, ist ein Dialog – für die anderen Anwesenden vielmehr ein Monolog – skurriler Art. Meile mahnt sein unsichtbares Gegenüber immer wieder: «nicht so schnell, nicht so schnell», er müsse doch zuerst vom Holländischen ins Deutsche übersetzen. «Er betont, dass er ein guter Geist sei», sagt Meile, «das ist ihm wichtig.» Er habe früher zwar Dinge gemacht, die nicht richtig waren, aber dem habe er abgeschworen und dafür sei er ja auch bestraft worden. Eines wolle er aber noch klarstellen: «Er lässt sich hier nicht vertreiben, und mit Weihrauch schon gar nicht.»Die Nachfrage, ob dies denn schon probiert wurde, bejaht Jürg Eichenberger. «Die SBB liessen das Gebäude regelmässig von einem energetischen Reiniger ausräuchern.» Dann wird es im Keller plötzlich merklich kühler (ob Einbildung oder nicht) und Andreas Meile hebt den Finger. «Haben Sie das gespürt?», fragt er. «Jetzt ist er weg, zumindest nicht mehr in diesem Raum.» Zurück bleiben neben Meile drei Männer, die nicht recht wissen, ob sie an diesen Spuk nun glauben sollen.Unheimliche Orte gibt es überall
Andreas Meile kümmert dies nicht. «Ich gebe einfach weiter, was ich sehe und höre.» Und davon gibt es neben den neusten Erkenntnissen aus dem Spiesshof in Basel noch einiges zu erzählen. Auch ins Engadiner Kurhotel Val Sinestra wurde er schon gerufen. Angestellte und Gäste berichten immer wieder von klirrenden Gläsern, lautem Geschepper und rasselnden Schlüsseln. Oder davon, dass sich plötzlich ein Fenster öffnet. «Im Val Sinestra gehe ich öfters ein und aus», erklärt Meile. Er sei dort quasi das Hausmedium. Der Hotelgeist sei ebenfalls ein lieber – «ein Belgier.» Seinen Namen kennt Meile nicht. «Den will er partout nicht verraten.» Es sei ihm aber wichtig «und das betont er immer», sagt Meile, dass er sich um das Wohl der Angestellten kümmern wolle, die hier vom einstigen Hotelbesitzer schlecht behandelt wurden.Unheimliche Orte gibt es in der Schweiz auch jenseits des Gotthardmassivs. Bei Piotta zum Beispiel. Dort steht an einem Berghang ein imposantes, verlassenes Gebäude: das alte Gotthard-Sanatorium. Nach seiner Eröffnung 1905 wurden dort 57 Jahre lang Menschen geheilt – erst Militärs im 1. Weltkrieg, später Tuberkulosepatienten. Heute sollen im fünfstöckigen Gebäude mit seinen dunklen Ecken, dem hauseigenen Totenkeller und den Resten von Maschinen, die dem alten Gebäude eine apokalyptische Atmosphäre verleihen, paranormale Dinge geschehen.Ob dem wirklich so ist, ist nicht bewiesen. Genauso wenig wie die Existenz von David Joris im Spiesshof zu Basel oder dem Hotelgeist im Val Sinestra. Denn der Mensch glaubt meist nur, was er mit eigenen Augen gesehen hat. Die Frage bleibt dabei aber immer dieselbe: Haben wir den Geist nun wirklich gesehen, gehört – gespürt, oder war es doch nur ein Konstrukt unserer Fantasie? -
Das Geisterhaus
Im engadiner Kurhotel Val Sinestra trägt sich seltsames zu
Text: Michael Furger (NZZ) 18.7.2013
Ein längst verstorbener Gast sol durch die Gänge spuken. Jemand hat ihn sogar gesehen. Eine wahre Geschichte
Dunkel steht der Wald im Val Sinestra. Die Sonne zeigt sich hier nur um die Mittagszeit. Danach legt sich Schatten über die steilen Hängen. Sanft geschwungene Alpweiden findet man keine hier. Im Val Sinestra stehen Tannen und Lärchen neben schroffen Felswänden. Dazwischen donnert der Bergbach Brancla ins Tal.
Weit hinten ragt ein Haus über die Wipfel. Ein Kurhotel, ein gewaltiger Kasten aus vergangener Zeit, 11 Stockwerke hoch, 100 Jahre alt. Wie ein Schloss mit Türmen und Erkern thront es über dem Talgrund, festgemauert auf einem 15 Meter hohen Felsvorsprung. Bereits der Weg dorthin ist keine Sonntagsfahrt. Von Sent im Unterengadin, einem ohnehin schon abgelegenen Ort, haben Strassenbauer ein Schottersträsschen in den steilen Berghang gehauen. Kilometerweit führt es über dem Abgrund ins Tal hinein.
Diesen Weg fuhr eines Abends im April 1978 Peter Kruit, ein Bauingenieur aus den Niederlanden. Er hatte das Kurhotel eben günstig erworben und plante, dort ein Gästehaus für niederländische Touristen einzurichten. An jenem Abend wollte er, so berichtet er heute, Möbel in den noch leerstehenden Bau bringen. Kruit kam allein. Oben angekommen, steuerte er eine Blechtüre an der Nordseite an. Er öffnete sie, und dabei war ihm, als erwache etwas in der Tiefe des Hauses. Ein lautes Grollen donnerte ihm entgegen, das Gebäude zitterte auf allen Etagen. Kruit packte das Grauen. Er sprang in seinen Wagen, flüchtete nach Sent und wagte sich erst am nächsten Morgen, bei Tageslicht, zurück.
Ein Farn bewegt sich
Peter Kruit ist geblieben. Er führt das Hotel noch heute, zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Wanda Hopman. Es ist ein Gästehaus für Touristen mit kleinem Budget. Zurzeit ist es belegt bis unters Dach. 150 Gäste, fast alles Niederländer. Sie lesen im grossen Salon, sie sitzen beim Bier ums Haus, sie essen im alten Speisesaal, und sie schlafen sorglos auf den oberen Etagen – und ahnen nicht, was sich ein paar Stockwerke tiefer zutragen soll; auf der alten Bäder-Etage im Untergeschoss, dort, wo die Kurgäste vor 100 Jahren ihre Gebresten kurieren liessen.
Ein Lift führt hinunter. Kaltes Neonlicht erhellt einen kahlen Gang. Es sieht aus wie in einer Klinik. An den Wänden hängen alte Fotos hinter zersplittertem Glas. Daneben führen Türen zu den Baderäumen. Alles ist leer. Niemand ist hier. «Doch», sagt Hoteldirektorin Hopman, und ihre Stimme klingt ernst. Er ist hier. Der Geist vom Val Sinestra. Ein Toter, eine Gast aus dem Jenseits. Er soll es gewesen sein, der Peter Kruit vor 32 Jahren das Fürchten lehrte.
Seither macht er sich immer wieder bemerkbar. Als die Belegschaft früher das Hotel jeweils für die Überwinterung zusperrte, gingen wie von Geisterhand einzelne Fenster wieder auf. «Es waren Fenster, die ich vorher eigenhändig verriegelt hatte», versichert die Hoteldirektorin. Im Hotel wird ohne menschliches Zutun die Musik aus der Stereoanlage lauter. In verschlossenen Räumen geht plötzlich das Licht an. Und bei Peter Kruit im Wohnzimmer bewegen sich die Zweige eines Farns, obwohl angeblich nicht der sanfteste Windstoss durch den Raum geht. «Für mich gibt es keinen Zweifel, dass jemand da ist», sagt Hopman. Dass er sich hier unten auf der Bäder-Etage eingerichtet hat, wissen die niederländischen Hoteliers erst seit kurzem. Denn einer hat ihn dort gesehen: Andreas Meile, Sozialpädagoge aus Gerolfingen am Bielersee. Meile arbeitet nebenberuflich als Medium. Er sagt, er könne Kontakt zu Verstorbenen aufnehmen. Er höre sie und sehe sie auch, manchmal nur als Silhouette, manchmal klar und deutlich.
Auf der Bäder-Etage traf Meile den Geist erneut, vor dem Baderaum Nr. 5. Der Mann zeigte sich ihm in einem eleganten Anzug mit Hut, im Stil der 1920er Jahre. Zu dieser Zeit soll er gestorben sein, erklärt der Geisterseher. «Er ist Belgier, arbeitete in der Stoffbranche und kämpfte als Soldat im Ersten Weltkrieg.» Dort soll er sich eine Tuberkulose zugezogen haben, die er dann im Val Sinestra kurierte.
Anfang des 19. Jahrhunderts kamen in der Tat Kurgäste aus ganz Europa ins Val Sinestra. Der Ort genoss einen guten Ruf wegen seiner Fangopackungen und der «auas fortas», der starken Wasser: Quellwasser mit hohem Arsengehalt, das noch heute in oranger Farbe unter dem Hotel aus dem Berg sprudelt. Es soll gegen Blut- und Stoffwechselkrankheiten helfen, gegen Hautallergien und sexuelle Schwäche.
Ein Löffel fliegt durch die Luft
Weil sich der Kurgast wohl gefühlt habe, sei er nach seinem Tod zurückgekehrt ins Val Sinestra, sagt Meile. Vor dem Baderaum Nr. 5 sei er besonders stark wahrnehmbar. Dessen Tür quietscht beim Öffnen. Ein Korbstuhl steht da, ein Tisch und eine metallene Badewanne. Hier im Raum stehend, hatte Hoteldirektorin Hopman kürzlich ein eigentümliches Erlebnis. Plötzlich stieg ihr Wärme die Beine hoch. «Das war er», sagt Medium Meile.
Andere Angestellte berichten von einem flauen Gefühl im Magen, das sich vor dem Raum Nr. 5 einstelle. Einmal habe ein Hotelgast gar panisch geschrien. Auch ein anderes Medium will den Geist an genau dieser Stelle gespürt haben. Kurz vor Andreas Meile reiste Bea Rubli aus Aarau ins Val Sinestra und berichtete der Zeitschrift «Beobachter» ebenfalls von einem belgischen Soldaten mit Lungenleiden. Guillaume oder Gilbert heisse er. Als Geist sei er gutartig. Gesellig ist er offenbar auch. Zu Andreas Meile scheint sich eine Art Freundschaft entwickelt zu haben. Der Geist habe ihn kürzlich in seiner Wohnung besucht. «Hier ist er gestanden», sagt Meile. Er steht in Flipflops auf seinem Balkon in Gerolfingen und deutet in eine Ecke.
Vor drei Wochen schliesslich rückte eine zehnköpfige Geisterjäger-Truppe aus dem französischen Annemasse im Kurhaus ein. Mit technischen Geräten ging sie auf Spurensuche. Das Material ist noch nicht ausgewertet. Aber spät in der Nacht, die Franzosen waren noch an der Arbeit, soll sich im Speisesaal Seltsames zugetragen haben: Ein Esslöffel machte sich selbständig. Niemand war im Saal, die Türe war, so wird berichtet, verschlossen. Plötzlich – kling, kling, kling – sprang der Löffel über den Boden. Und beim Tisch, auf dem er vorher gelegen sei, sei ein Stuhl weggezogen gewesen, gerade so, als habe jemand dort gesessen.
Ein belgischer Stoffhändler namens Guillaume oder Gilbert – da müsste doch ein Eintrag in einem alten Gästebuch zu finden sein. Doch solche Bücher sind unauffindbar. Wanda Hopman und Peter Kruit haben nie welche gesehen. Der Geist vom Val Sinestra will offenbar nichts mehr preisgeben.
Fenster zum Jenseits
Die Schweiz ist eine Fundgrube von spannenden Spuk- und Gespenstergeschichten. Einige der faszinierendsten und unheimlichsten Begebenheiten werden in diesem Film mit dem Journalisten Hans Peter Roth anhand von Zeugenbefragungen hautnah am Ort des Geschehens beleuchtet.
Dieser Dokumentarfilm zeigt auch zwei Persönlichkeiten mit der Fähigkeit, verstorbene Menschen zu sehen und Stimmen aus dem Jenseits zu empfangen. Das Medium Andreas Meile und der Geisterseher Sam Hess erzählen persönlich in diesem Film über ihre Gabe. Wie lebt es sich mit so einer besonderen Fähigkeit? Wie reagiert ihr Umfeld darauf? Wie nutzen sie ihre "Kräfte" für andere Menschen?
"Fenster zum Jenseits" bezieht keine Stellung, ob sich die Spuk-Geschichten oder medialen Fähigkeiten wissenschaftlich erklären lassen. Vielmehr sollte aus einer beobachtenden Perspektive und auf kritische Art und Weise die Spiritualität der Menschen, ihre Erlebnisse sowie Auseinandersetzung mit dem Jenseits gezeigt werden.
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SonntagsBlick
Ging auf Geisterjagt und wurde fündig. In diesem Hotel Spukts!
Text: 2010 | Romina Lenzlinger
Im Engandiner Kurhotel Val Sinestra soll ein Geist umgehen, behaupten Angestellte und Hotelgäste.
SonntagsBlick machte den Test – und traf gleich zwei.
Dass Geister und Gespenster erst nach Mitternacht erscheinen, sei ein Märchen, sagt Andreas Meile (43). Es müsse nur ruhig genug sein, damit man sie auch höre. Still ist es an diesem frühen Dienstagnachmittag im Hotel Val Sinestra im Unterengadin. Unheimlich still sogar. Und gruslig kalt.
"Das Medium" lehnt an einer Wand auf der ehemaligen Bäderetage und starrt ins Leere. «Ich kann ihn deutlich erkennen», sagt Meile plötzlich. «Ein hagerer Typ, gut gekleidet, zirka 1,70 Meter.» Er sei Belgier, aus einer Gegend unweit der holländischen Grenze. Seinen Namen wolle er nicht verraten.
Hoteldirektorin Wanda Hopman (47) starrt auf die weisse Wand. Weder sie noch die Reporterin nehmen eine Regung wahr, erst recht keinen gut aussehenden Mann. Meile erzählt nun, er habe den Geist schon gesehen, als er im Hotel-Shuttle vorfuhr. Da sei der Belgier am Fenster gestanden und habe von Problemen mit der Heizung im Kurhaus gesprochen. Tatsächlich habe es mehrere Tage lang kein warmes Wasser im Haus gegeben, bestätigt Hotelière Hopman.
Also spukt es hier tatsächlich? «Der Geist wohnt seit vielen Jahren da und lässt sich auch nicht vertreiben», sagt Meile. Denn er wolle sich um das Wohl der Angestellten kümmern, die hier einst von einem Hotelbesitzer schlecht behandelt worden seien. Mit der heutigen Führung jedoch sei der Geist sehr zufrieden.
Die Direktorin ist erleichtert: «Da bin ich aber froh – ich will ihn nämlich nicht vertreiben.» Zu sehr habe sie sich schon an den Unbekannten gewöhnt. Ihre Angestellten und Gäste wüssten ebenfalls mit dem Spuk umzugehen: Sie berichteten von klirrenden Gläsern, lautem Geschepper und rasselnden Schlüsseln. «Unsere Gäste wissen, dass sich hier plötzlich ein Fenster öffnen kann», sagt Hopman. Gesehen hat den ungewöhnlichen Mitbewohner bislang aber niemand. Besucher berichten lediglich von einem unangenehmen Gefühl, das sie in gewissen Räumen beschleiche. «Es ist, als würde jemand hinter dir stehen», erklärt Hopman, die das Kurhaus seit 1978 mit ihrem holländischen Geschäftspartner führt. 90 Prozent der Gäste seien Holländer, da passe ein belgischer Geist perfekt dazu, scherzt sie.
Plötzlich reckt Meile den Zeigefinger und bittet um Ruhe: «Achtung, Giancarlos Grossvater mischt sich in die Unterhaltung ein. Ein kleiner, gut aussehender Mann.» Dem verdutzten SonntagsBlick-Fotografen Giancarlo Cattaneo fällt die Kamera fast aus der Hand. Er starrt an die Wand, sieht aber nichts. «Der Grossvater lässt ausrichten, dass der Familienzwist für ihn abgeschlossen sei. Es komme alles gut», so Meile zum Fotografen.Er solle die hässliche Fehde nun endlich vergessen. Der 60- jährige Engadiner steht regungslos da: «Unglaublich! Wir hatten bis vor kurzem tatsächlich einen grossen Familienstreit und die Sache belastet mich bis heute.» Für die SonntagsBlick-Reporterin gibt es leider keine Geisterbotschaft. «Manchmal wollen die einfach nicht, vermutlich haben sie heute eine andere Aufgabe», meint Meile und starrt wieder auf die weisse Wand.
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Bieler Tagblatt
Ich bin nicht der Weihrauchtyp
Nidau: Andreas Meile arbeitet seit über 25 Jahren als Medium.Er überbringt den Klienten Botschaften von Verstorbenen. Seine Tätigkeit bezeichnet er als Handwerk, den Weltuntergang als esoterischen Gugus.
Interview: Simone Tanner | 2012
Wann haben Sie zum ersten Mal einen Toten gesehen?
Das war im Alter von 18. Mein Grossvater stand an seiner Beerdigung neben dem Grab, hat mir zugewinkt und ist gegangen.
Wie war das?
Speziell. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.
Ihre besondere Gabe setzen Sie seit über 15 Jahren in Ihrer Praxis als Medium ein.
Ich habe keine spezielle Gabe, ich bin ein ganz normaler, bodenständiger Mensch. Ich bin nun mal nicht der Weihrauchtyp. Und mit meinem Übergewicht könnte ich ja gar nicht schweben (lacht). Ich habe Sozialpädagogik studiert, bin zertifiziert in Notfallpsychologie und arbeite heute auch mit Psychologen zusammen. Dieses ewige Gegeneinander finde ich schlimm. Für mich ist es ein Miteinander und das ist ja auch das Schlusswort des Films „Fenster zum Jenseits“. Und mediale Arbeit heisst für mich schlicht, Botschaften von Verstorbenen durchgeben. Das ist mein Handwerk.
Handwerk? Dann kann jeder ein Medium werden?
Ja. Man kann es mit dem Autofahren vergleichen. Jeder kann das lernen, aber wir werden nie alle gleich gut rückwärts parkieren. Die Grundvoraussetzungen für Medialität hat jeder Mensch. Natürlich kann man es nicht in einem Wochenend-Kürsli lernen. Man muss es trainieren. Früher oder heute noch in den Naturvölkern haben die Menschen einen ganz normalen Bezug zur geistigen Welt. Dort gehört es zur Kultur. Bei uns wurde es aus der Kultur weggeschrieben. In unserem Weltbild werden wir geboren und sterben. Tot, fertig, Schluss. Meine Erfahrung ist aber eine andere. Verstorbene merken, dass sie gar nicht so tot sind. Und sie wollen dies ihren Angehörigen mitteilen, dass sie angekommen sind, dass es ihnen gut geht. Meine Rolle dabei ist die des Übersetzers.
Welche Leute kommen zu Ihnen?
Von Leuten, die einen geliebten Menschen verloren haben bis hin zu solchen, die aus Neugier kommen. Die Motivationen sind unterschiedlich.
Wie läuft eine solche Sitzung ab?
Die Gespräche mit meinen Klienten sind Gespräche wie jenes, das ich jetzt mit Ihnen führe. Mit dem Unterschied, dass da eben noch der verstorbene Onkel Fritz dabei ist. Durch die Einfachheit meiner Arbeit, die Klarheit meiner Sätze, die Überprüfbarkeit dessen, was ich sage, gibt es eine Sicherheit im Vis-à-vis. Die Trauer bei den Hinterbliebenen ist nicht abgeschlossen. Die Klienten sind immer noch traurig, aber viel ruhiger. Es funktioniert aber nicht so wie im Fernsehen, dass Leute zu mir kommen und ich präsentiere ihnen die Lösung. Das ist Blödsinn. Die geistige Welt löst für uns kein einziges Problem. Aber sie gibt Ideen. Es ist wie eine Drittmeinung, die man einholt. Aber umsetzen muss die Botschaft im eigenen Alltag jeder für sich.
Sie sprechen von Überprüfbarkeit. Beweisen kann man es aber eben nicht, dass Sie die Verstorbenen wirklich sehen?
Doch. Ich kenne von meinen Klienten nur den Namen und die Telefonnummer. Die Verstorbenen zeigen sich mir in einer Sitzung so, wie sie zu Lebzeiten ausgesehen haben, damit ich sie dem Klienten beschreiben kann. Oder sie schildern mir zum Beispiel ihre eigene Beerdigung, bis hin zur Musik, die gespielt worden ist und weitere Lebensdetails.
Und die Verstorbenen stehen dann in der Praxis oder sitzen auf dem Sofa?
Ja, es ist wie mit uns beiden jetzt. Wir diskutieren einfach zusammen.
Und wenn die Verstorbenen zum Beispiel Russisch sprechen?
(lacht laut) Die Sprache ist ein Hindernis, die man nur im Diesseits kennt. Aber die Sprache ist ein eindeutiges Merkmal. Die Verstorbenen kommunizieren dann meistens mit einem Akzent.
Nimmt manchmal auch der Klient den Geist wahr?
Ja, das kommt vor. Es ist eine Energie, die man spürt, eine Wärme oder es riecht nach dem Parfum der verstorbenen Person. Zum Beispiel nach der Weihnachtsguetzli-Büchse der Grossmutter.
Gibt es auch Botschaften von Verstorbenen, die Sie zensurieren müssen?
Das darf ich nicht. Ich bin kein Richter. Ich kann eine gewisse diplomatische Note durch meine Wortwahl formulieren. Aber verschweigen darf ich nichts. Dann würde ich mich ja über alles stellen und damit wäre die geistige Welt nicht einverstanden.
Glauben Sie denn an Gott?
Ja. Ich bin reformiert, aber wohl der schlechteste Kirchengänger, den es gibt. Der Glaube ist mit meiner Arbeit auch nicht immer ganz kompatibel. Aber ich glaube an Gott – oder an eine höhere Macht.
Könnten Sie denn auch mit Jesus in Kontakt treten?
Nein, ich bin zufrieden mit den verschiedenen und überprüfbaren Kontakten aus der geistigen Welt. (lacht) Es gibt genug andere, die behaupten, das zu können. Wenn wir davon ausgehen, dass er vor 2000 Jahren gestorben ist, dann käme er ja gar nicht mehr zurecht in dieser Welt.
Dann können Sie nur mit Toten in Kontakt treten, die noch einen Bezug zur jetzigen Welt haben? Sagen wir solche, die weniger als 70 Jahre tot sind?
Nein, das kann man nicht so sagen. Aber Sie haben nach Jesus gefragt. Und es macht keinen Sinn, dass er sich meldet. Was will er uns noch einmal erzählen?
Ob es ihn wirklich gegeben hat.
Das wird das ewige Mysterium bleiben.
Aber am ehesten könnte doch das jemand wie Sie herausfinden?
Dann wäre ich aber froh, wenn NICHT ich dieser Jemand wäre. Stellen Sie sich einmal die Schlagzeile vor: "Meile spricht mit Jesus."
Sie müssten es ja nicht dem "Blick" sagen, nur mir. (Meile lacht schallend) Für mich tönt das ein wenig nach Ausrede. Wenn Sie mit der geistigen Welt kommunizieren können, warum dann nicht auch mit Jesus?
Weil er sich noch nie gemeldet hat. So einfach ist das. (Pause) Und wie wollen Sie zudem überprüfen, ob ich wirklich mit Jesus gesprochen habe? Zudem brauche ich als Medium einen Auftrag und das OK des Gegenübers. Andernfalls meldet sich auch niemand. Die geistige Welt ist nicht die 1818.
Sehen Sie denn jetzt einen Geist, einen verstorbenen Angehörigen von mir?
Nein. Ich sitze Ihnen im Moment auch nicht als Medium gegenüber. Das ist nicht meine Rolle in diesem Gespräch. Und Sie sind auch nicht als Klientin hier, sondern als Journalistin.
Sie können sich als Medium also ein- und ausschalten?
Ja, das ist mein Beruf. Wenn ich aus der Praxis gehe, habe ich Feierabend. Es gibt schon Situationen, in denen der Beruf durchdrückt. In diesen Fällen nehme ich das auf und verfolge es am nächsten Tag bei der Arbeit weiter. Genau so, wie Sie es als Journalistin sicher auch tun.
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Den Tod gibt es in dem Sinn nicht. Vor dem Prozess des Sterbens habe ich Respekt, weil ich auch nicht weiss, was mich erwartet. Aber vor dem Tod habe ich keine Angst.
Hat Ihnen noch nie ein Verstorbener berichtet, wie das Sterben ist?
So konkret nicht. Aber man muss das Leben auch in der geistigen Welt reflektieren. Jemand, der Suizid begangen hat, muss auch hinsehen, dass er Leid verursacht. Diese Menschen sind oft bestrebt, sich bei den Angehörigen zu entschuldigen, Frieden zu finden.
Im Jenseits gibt es also auch Sorgen?
Das Jenseits ist nicht einfach Friede, Freude, Eierkuchen. Man muss bestimmte Aufgaben übernehmen, kann nicht einfach auf der Wolke 13 sitzen, Harfe spielen und Nature-Joghurt essen. (lacht) Man hat Aufgaben, die man übernimmt.
Welche denn?
Es ist nicht Arbeit, wie wir sie hier verrichten. Doch im Jenseits muss man zum Beispiel Neuankömmlinge begleiten. Sie brauchen Hilfe und Unterstützung.
Wir schreiben heute Donnerstag den 20. Dezember 2012. Sie müssten es ja wissen. Geht morgen die Welt unter?
Nein. Das können Sie ganz gross schreiben. NEIN!
Warum nicht?
Ich kann Ihnen meine unspektakuläre Erklärung dafür geben. (Er holt zwei Kalender.) Hier haben Sie den Dezember 2012. Und da ist der Januar 2013. Wenn ein Kalender fertig ist, beginnt man wieder von vorne. Mir schreiben aber viele Menschen und fragen: „Geht die Welt unter, Herr Meile?“ Es ist erschreckend, welche Angst man mit solchen Prophezeiungen auslöst. Jetzt sprechen die selbst ernannten Propheten neuerdings nur noch von einer kosmischen Veränderung, weil der Weltuntergang gar nicht so lukrativ ist. Denn wenn die Welt untergeht, kann man ja nichts mehr verkaufen. Das ist eine reine Angst- und Geldmacherei. Das ist esoterischer Gugus.
Sie sind also kein Esoteriker?
Manche würden mich wohl als Esoteriker bezeichnen, ich nicht. Meine Arbeit als Medium ist konkret in den Aussagen, nicht Wattebäuschchen-Zeug. Das würde nicht zu mir passen.
Gibt es immer mehr Menschen, die als Medium arbeiten?
Nein, aber man spricht mehr darüber und scheut sich weniger seinen Freunden zu sagen, „ich war beim Meile“.
Aber es gibt auch Menschen, die mit ihrer, vielleicht vermeintlichen Medialität Humbug betreiben.
Deshalb ist es wichtig als Klient immer auch kritisch zu bleiben.
Was entgegnen Sie jemandem, der Sie als Scharlatan bezeichnet?
Ich muss niemanden überzeugen. Für mich ist es klar, dass es die geistige Welt gibt. (schmunzelt) Und irgendwann werden wir alle wissen, wer recht hat.
Link: www.bielertagblatt.ch
- Andreas Meile: 1967 in Biel geboren | wohnt in Täuffelen
- Ausbildungen: diplomierter Sozialpädagoge HFS in Brugg. Zertifiziert in systemischer Familientherapie und Notfallpsychologie (Care Team Kt. Bern)
- Tätigkeit: Er leitet seit über 15 Jahren Kurse, Zirkel und bietet mediale Beratungen im Psi Zentrum Seeland an
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Coopzeitung
Glauben Sie an Geister?
Vielleicht halten Sie Ihre Antwort lieber noch zurück, bis Sie diese Geschichte gelesen haben.Bild: Keystone, Ti-Press, Kostas Maros, ZVG)
Text: Andreas Eugster
Kann er es wirklich sehen – das Gespenst vom Spiesshof zu Basel?
"Hier ist nichts", sagt Andreas Meile. Er steht mitten im grossen Sitzungszimmer des Spiesshofs in der Altstadt von Basel – im 1724 fertiggestellten Barockflügel. Es ist der neuere Komplex des Gebäudes. Dahinter, leicht versetzt, steht der Renaissancebau, der eigentliche Haupttrakt aus dem 16. Jahrhundert. Nach diversen Besitzerwechseln in früher Neuzeit erwarb die SBB 1902 die Liegenschaft, in deren Eigentum sie bis 2008 blieb. Heute beheimatet der Spiesshof Anwaltskanzleien, eine Treuhandgesellschaft und angeblich – seit über 450 Jahren – einen Geist. Meile, ein studierter Sozialpädagoge, der seit über 20 Jahren als Medium arbeitet, schaut sich nochmals um. Plötzlich deutet er mit dem Zeigefinger aus dem Fenster Richtung Renaissancebau, der eine eigenwillige, eigentlich nicht in diese Gegend passende Fassade aufweist, die heute noch vollständig erhalten ist. «Aber dort, dort unten ist er.» Wer «er»? «Der Geist!» Grosse Augen, auch bei Jürg Eichenberger, dem aktuellen Besitzer der Liegenschaft. Entgeisterte oder vielmehr begeisterte Blicke bei Fotograf und Reporter, denn wirklich gesehen hat die Spukgestalt bis dato eigentlich niemand. Zumindest gibt es keine eindeutigen Beweise für deren Existenz.Erst geehrt, dann geschändet
Die Legende jedoch, die ist unheimlich. Im April 1544 gewährte der Basler Rat dem holländischen Glaubensflüchtling Johann von Brügge samt seinem Gefolge in der Stadt am Rheinknie Asyl. Über ein Jahrzehnt lang schätzten die Basler den freundlichen, stillen Herrn, der nebst dem Spiesshof auch das Binninger Schloss erworben hatte. Er galt als sehr vermögend und wohltätig. Nach seinem Tod am 26. August 1556 wurde Johann von Brügge bei einer grossen Abdankung in der Leonhardskirche begraben. Für den vermögenden Holländer hätten sich nach dessen Tod wohl nicht so viele Leute interessiert, wenn nicht drei Jahre danach, durch einen petzenden Diener, seine wahre Identität ans Licht gekommen wäre. Denn der Edelmann und Vorsteher der kleinen holländischen Basler Kolonie war in Wirklichkeit nicht Johann von Brügge, sondern David Joris: das Haupt einer verbotenen Wiedertäufer-Sekte, das in Holland verfolgt wurde und in die Rheinstadt flüchtete.Das streng reformierte Basel fiel aus allen Wolken, vor allem, als bekannt wurde, dass dieser Ketzer von hier aus still und heimlich seine verschworene Gemeinde eifrig weiter betreut und dazu zahlreiche verleumderische Schriften verfasst hatte. Was folgte, war der grösste Sensationsprozess der Basler Geschichte. Nach der Urteilsverkündung wurde der einbalsamierte Tote aus seinem Grab gehoben, geköpft und mitsamt seinen Büchern, Schriften und seinem Bildnis vor johlender Meute auf dem Richtplatz vor dem Steinentor verbrannt. Seither soll der Holländer in Begleitung von zwei schwarzen Doggen und mit seinem Kopf unter dem Arm durch den Spiesshof wandeln.Skurriler Dialog mit dem Geist
Die Suche nach ebendiesem kopflosen David Joris führt nun also hinüber zum Renaissancebau. Denn dort soll dieser während seiner Zeit in Basel vornehmlich gelebt haben. Vor dem steinernen Treppenabgang in den Keller bleibt Andreas Meile stehen, schnellt zurück, als hätte ihm eine unsichtbare Hand eine schallende Ohrfeige verpasst. «Puuhhh ...!», entfährt es ihm. «Entschuldigung, aber ich brauche eine Minute.» War das der Joris? «Nein, nein», entgegnet das Medium, «aber die Energie, die dieser Ort versprüht, ist enorm. Daran muss ich mich erst gewöhnen.» Nach dieser Schrecksekunde und bei anbrechender Dämmerung ist es keinem der vierköpfigen «Geisterjägergruppe» mehr so richtig geheuer – auch dem Fotografen ist das süffisante Lächeln kurzzeitig aus dem Gesicht entschwunden. Die modrige Luft, die einem aus dem Dunkeln entgegenströmt, macht den Kellerabstieg nicht unbedingt behaglicher.Unten angekommen, ist es Besitzer Jürg Eichenberger, der als Erster Mut fasst: «Und? Ist er hier?» «Er steht seitlich von Ihnen, übrigens mit dem Kopf auf den Schultern», sagt Meile. Ungläubige Blicke. «Direkt neben Ihrem verstorbenen Vater, der Ihnen ausrichten lässt, dass es ihm gut gehe.» Eichenberger zuckt zusammen, während Fotograf und Reporter in den Raum starren, aber keine abnormale Regung wahrnehmen.Vielleicht sollte hier noch erwähnt werden, dass Andreas Meile weder Vorkenntnisse zum Spiesshof noch zu seinem angeblichen Bewohner hatte. Umso mehr erstaunt es, dass das Medium plötzlich beginnt, auf Holländisch zu sprechen. Logisch! David Joris war/ist ja Holländer. Doch woher sollte dies Andreas Meile wissen? Was folgt, ist ein Dialog – für die anderen Anwesenden vielmehr ein Monolog – skurriler Art. Meile mahnt sein unsichtbares Gegenüber immer wieder: «nicht so schnell, nicht so schnell», er müsse doch zuerst vom Holländischen ins Deutsche übersetzen. «Er betont, dass er ein guter Geist sei», sagt Meile, «das ist ihm wichtig.» Er habe früher zwar Dinge gemacht, die nicht richtig waren, aber dem habe er abgeschworen und dafür sei er ja auch bestraft worden. Eines wolle er aber noch klarstellen: «Er lässt sich hier nicht vertreiben, und mit Weihrauch schon gar nicht.»Die Nachfrage, ob dies denn schon probiert wurde, bejaht Jürg Eichenberger. «Die SBB liessen das Gebäude regelmässig von einem energetischen Reiniger ausräuchern.» Dann wird es im Keller plötzlich merklich kühler (ob Einbildung oder nicht) und Andreas Meile hebt den Finger. «Haben Sie das gespürt?», fragt er. «Jetzt ist er weg, zumindest nicht mehr in diesem Raum.» Zurück bleiben neben Meile drei Männer, die nicht recht wissen, ob sie an diesen Spuk nun glauben sollen.Unheimliche Orte gibt es überall
Andreas Meile kümmert dies nicht. «Ich gebe einfach weiter, was ich sehe und höre.» Und davon gibt es neben den neusten Erkenntnissen aus dem Spiesshof in Basel noch einiges zu erzählen. Auch ins Engadiner Kurhotel Val Sinestra wurde er schon gerufen. Angestellte und Gäste berichten immer wieder von klirrenden Gläsern, lautem Geschepper und rasselnden Schlüsseln. Oder davon, dass sich plötzlich ein Fenster öffnet. «Im Val Sinestra gehe ich öfters ein und aus», erklärt Meile. Er sei dort quasi das Hausmedium. Der Hotelgeist sei ebenfalls ein lieber – «ein Belgier.» Seinen Namen kennt Meile nicht. «Den will er partout nicht verraten.» Es sei ihm aber wichtig «und das betont er immer», sagt Meile, dass er sich um das Wohl der Angestellten kümmern wolle, die hier vom einstigen Hotelbesitzer schlecht behandelt wurden.Unheimliche Orte gibt es in der Schweiz auch jenseits des Gotthardmassivs. Bei Piotta zum Beispiel. Dort steht an einem Berghang ein imposantes, verlassenes Gebäude: das alte Gotthard-Sanatorium. Nach seiner Eröffnung 1905 wurden dort 57 Jahre lang Menschen geheilt – erst Militärs im 1. Weltkrieg, später Tuberkulosepatienten. Heute sollen im fünfstöckigen Gebäude mit seinen dunklen Ecken, dem hauseigenen Totenkeller und den Resten von Maschinen, die dem alten Gebäude eine apokalyptische Atmosphäre verleihen, paranormale Dinge geschehen.Ob dem wirklich so ist, ist nicht bewiesen. Genauso wenig wie die Existenz von David Joris im Spiesshof zu Basel oder dem Hotelgeist im Val Sinestra. Denn der Mensch glaubt meist nur, was er mit eigenen Augen gesehen hat. Die Frage bleibt dabei aber immer dieselbe: Haben wir den Geist nun wirklich gesehen, gehört – gespürt, oder war es doch nur ein Konstrukt unserer Fantasie? -
Das Geisterhaus
Im engadiner Kurhotel Val Sinestra trägt sich seltsames zu
Text: Michael Furger (NZZ) 18.7.2013
Ein längst verstorbener Gast sol durch die Gänge spuken. Jemand hat ihn sogar gesehen. Eine wahre Geschichte
Dunkel steht der Wald im Val Sinestra. Die Sonne zeigt sich hier nur um die Mittagszeit. Danach legt sich Schatten über die steilen Hängen. Sanft geschwungene Alpweiden findet man keine hier. Im Val Sinestra stehen Tannen und Lärchen neben schroffen Felswänden. Dazwischen donnert der Bergbach Brancla ins Tal.
Weit hinten ragt ein Haus über die Wipfel. Ein Kurhotel, ein gewaltiger Kasten aus vergangener Zeit, 11 Stockwerke hoch, 100 Jahre alt. Wie ein Schloss mit Türmen und Erkern thront es über dem Talgrund, festgemauert auf einem 15 Meter hohen Felsvorsprung. Bereits der Weg dorthin ist keine Sonntagsfahrt. Von Sent im Unterengadin, einem ohnehin schon abgelegenen Ort, haben Strassenbauer ein Schottersträsschen in den steilen Berghang gehauen. Kilometerweit führt es über dem Abgrund ins Tal hinein.
Diesen Weg fuhr eines Abends im April 1978 Peter Kruit, ein Bauingenieur aus den Niederlanden. Er hatte das Kurhotel eben günstig erworben und plante, dort ein Gästehaus für niederländische Touristen einzurichten. An jenem Abend wollte er, so berichtet er heute, Möbel in den noch leerstehenden Bau bringen. Kruit kam allein. Oben angekommen, steuerte er eine Blechtüre an der Nordseite an. Er öffnete sie, und dabei war ihm, als erwache etwas in der Tiefe des Hauses. Ein lautes Grollen donnerte ihm entgegen, das Gebäude zitterte auf allen Etagen. Kruit packte das Grauen. Er sprang in seinen Wagen, flüchtete nach Sent und wagte sich erst am nächsten Morgen, bei Tageslicht, zurück.
Ein Farn bewegt sich
Peter Kruit ist geblieben. Er führt das Hotel noch heute, zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Wanda Hopman. Es ist ein Gästehaus für Touristen mit kleinem Budget. Zurzeit ist es belegt bis unters Dach. 150 Gäste, fast alles Niederländer. Sie lesen im grossen Salon, sie sitzen beim Bier ums Haus, sie essen im alten Speisesaal, und sie schlafen sorglos auf den oberen Etagen – und ahnen nicht, was sich ein paar Stockwerke tiefer zutragen soll; auf der alten Bäder-Etage im Untergeschoss, dort, wo die Kurgäste vor 100 Jahren ihre Gebresten kurieren liessen.
Ein Lift führt hinunter. Kaltes Neonlicht erhellt einen kahlen Gang. Es sieht aus wie in einer Klinik. An den Wänden hängen alte Fotos hinter zersplittertem Glas. Daneben führen Türen zu den Baderäumen. Alles ist leer. Niemand ist hier. «Doch», sagt Hoteldirektorin Hopman, und ihre Stimme klingt ernst. Er ist hier. Der Geist vom Val Sinestra. Ein Toter, eine Gast aus dem Jenseits. Er soll es gewesen sein, der Peter Kruit vor 32 Jahren das Fürchten lehrte.
Seither macht er sich immer wieder bemerkbar. Als die Belegschaft früher das Hotel jeweils für die Überwinterung zusperrte, gingen wie von Geisterhand einzelne Fenster wieder auf. «Es waren Fenster, die ich vorher eigenhändig verriegelt hatte», versichert die Hoteldirektorin. Im Hotel wird ohne menschliches Zutun die Musik aus der Stereoanlage lauter. In verschlossenen Räumen geht plötzlich das Licht an. Und bei Peter Kruit im Wohnzimmer bewegen sich die Zweige eines Farns, obwohl angeblich nicht der sanfteste Windstoss durch den Raum geht. «Für mich gibt es keinen Zweifel, dass jemand da ist», sagt Hopman. Dass er sich hier unten auf der Bäder-Etage eingerichtet hat, wissen die niederländischen Hoteliers erst seit kurzem. Denn einer hat ihn dort gesehen: Andreas Meile, Sozialpädagoge aus Gerolfingen am Bielersee. Meile arbeitet nebenberuflich als Medium. Er sagt, er könne Kontakt zu Verstorbenen aufnehmen. Er höre sie und sehe sie auch, manchmal nur als Silhouette, manchmal klar und deutlich.
Auf der Bäder-Etage traf Meile den Geist erneut, vor dem Baderaum Nr. 5. Der Mann zeigte sich ihm in einem eleganten Anzug mit Hut, im Stil der 1920er Jahre. Zu dieser Zeit soll er gestorben sein, erklärt der Geisterseher. «Er ist Belgier, arbeitete in der Stoffbranche und kämpfte als Soldat im Ersten Weltkrieg.» Dort soll er sich eine Tuberkulose zugezogen haben, die er dann im Val Sinestra kurierte.
Anfang des 19. Jahrhunderts kamen in der Tat Kurgäste aus ganz Europa ins Val Sinestra. Der Ort genoss einen guten Ruf wegen seiner Fangopackungen und der «auas fortas», der starken Wasser: Quellwasser mit hohem Arsengehalt, das noch heute in oranger Farbe unter dem Hotel aus dem Berg sprudelt. Es soll gegen Blut- und Stoffwechselkrankheiten helfen, gegen Hautallergien und sexuelle Schwäche.
Ein Löffel fliegt durch die Luft
Weil sich der Kurgast wohl gefühlt habe, sei er nach seinem Tod zurückgekehrt ins Val Sinestra, sagt Meile. Vor dem Baderaum Nr. 5 sei er besonders stark wahrnehmbar. Dessen Tür quietscht beim Öffnen. Ein Korbstuhl steht da, ein Tisch und eine metallene Badewanne. Hier im Raum stehend, hatte Hoteldirektorin Hopman kürzlich ein eigentümliches Erlebnis. Plötzlich stieg ihr Wärme die Beine hoch. «Das war er», sagt Medium Meile.
Andere Angestellte berichten von einem flauen Gefühl im Magen, das sich vor dem Raum Nr. 5 einstelle. Einmal habe ein Hotelgast gar panisch geschrien. Auch ein anderes Medium will den Geist an genau dieser Stelle gespürt haben. Kurz vor Andreas Meile reiste Bea Rubli aus Aarau ins Val Sinestra und berichtete der Zeitschrift «Beobachter» ebenfalls von einem belgischen Soldaten mit Lungenleiden. Guillaume oder Gilbert heisse er. Als Geist sei er gutartig. Gesellig ist er offenbar auch. Zu Andreas Meile scheint sich eine Art Freundschaft entwickelt zu haben. Der Geist habe ihn kürzlich in seiner Wohnung besucht. «Hier ist er gestanden», sagt Meile. Er steht in Flipflops auf seinem Balkon in Gerolfingen und deutet in eine Ecke.
Vor drei Wochen schliesslich rückte eine zehnköpfige Geisterjäger-Truppe aus dem französischen Annemasse im Kurhaus ein. Mit technischen Geräten ging sie auf Spurensuche. Das Material ist noch nicht ausgewertet. Aber spät in der Nacht, die Franzosen waren noch an der Arbeit, soll sich im Speisesaal Seltsames zugetragen haben: Ein Esslöffel machte sich selbständig. Niemand war im Saal, die Türe war, so wird berichtet, verschlossen. Plötzlich – kling, kling, kling – sprang der Löffel über den Boden. Und beim Tisch, auf dem er vorher gelegen sei, sei ein Stuhl weggezogen gewesen, gerade so, als habe jemand dort gesessen.
Ein belgischer Stoffhändler namens Guillaume oder Gilbert – da müsste doch ein Eintrag in einem alten Gästebuch zu finden sein. Doch solche Bücher sind unauffindbar. Wanda Hopman und Peter Kruit haben nie welche gesehen. Der Geist vom Val Sinestra will offenbar nichts mehr preisgeben.
Fenster zum Jenseits
Die Schweiz ist eine Fundgrube von spannenden Spuk- und Gespenstergeschichten. Einige der faszinierendsten und unheimlichsten Begebenheiten werden in diesem Film mit dem Journalisten Hans Peter Roth anhand von Zeugenbefragungen hautnah am Ort des Geschehens beleuchtet.
Dieser Dokumentarfilm zeigt auch zwei Persönlichkeiten mit der Fähigkeit, verstorbene Menschen zu sehen und Stimmen aus dem Jenseits zu empfangen. Das Medium Andreas Meile und der Geisterseher Sam Hess erzählen persönlich in diesem Film über ihre Gabe. Wie lebt es sich mit so einer besonderen Fähigkeit? Wie reagiert ihr Umfeld darauf? Wie nutzen sie ihre "Kräfte" für andere Menschen?
"Fenster zum Jenseits" bezieht keine Stellung, ob sich die Spuk-Geschichten oder medialen Fähigkeiten wissenschaftlich erklären lassen. Vielmehr sollte aus einer beobachtenden Perspektive und auf kritische Art und Weise die Spiritualität der Menschen, ihre Erlebnisse sowie Auseinandersetzung mit dem Jenseits gezeigt werden.